Wo die Seele den Himmel berührt
Im frühen 20. Jahrhundert zog der Monte Verità oberhalb von Ascona im Kanton Tessin Vegetarier, Nudisten, Aussteiger, Wahrheitssuchende, Künstler, Okkultisten und Esoteriker aus der ganzen Welt an. Der Hügel liegt genau auf der geologischen Spalte, die Afrika von Europa trennt. Er gilt daher als idealer Kraftort um zu meditieren, zu neuen Lebensformen zu finden oder magische bzw. okkulte Rituale durchzuführen. Kein Wunder, dass der Sexualmagier, Theosoph und Freimaurer Theodor Reuss (Ordensname "Merlin Peregrinus") ausgerechnet auf dem Monte Verità eine "Anationale Großloge und Mystischen Tempel" des O.T.O. (Ordo Templis Orientis) stiftete und zugleich eine überarbeitete Version der "Constitution of the Ancient Order of Oriental Templars" publizierte.
Eine weitere bekannte Gestalt war der Tänzer und Choreograph Rudolf von Laban (1879-1958), der Begründer des modernen Ausdruckstanzes. Von 1913 bis 1917 bot er auf dem Monte Verità jeweils von April bis Oktober Tanzkurse an. Ziel der von ihm entwickelten Form des Tanzens war der Aufbau einer Verbindung zwischen dem Innersten des Menschen und dem Tanz. Getanzt wurde fast ausschliesslich an der frischen Luft, manchmal leicht bekleidet, meistens jedoch nackt. Für letzteres prägten die Einheimischen schon früh den Begriff "ballabüit", der sich aus den Wörtern "ballare" (tanzen) und "büit" (unbekleidet) zusammensetzt.
Literatur:
Vermeer, Ruud: Aleister Crowley. Eine illustrierte Biographie des bekanntesten und umstrittendsten Magiers des 20. Jahrhunderts. Amsterdam 2004, S. 51-58 (Kapitel O.T.O und Sexualmagie)
Von Laban, Rudolf: Gymnastik und Tanz. 9. Auflage. Oldenburg 1926.
Voswinckel, Ulrike: Freie Liebe und Anarchie: Schwabing - Monte Verità. Entwürfe gegen das etablierte Leben. München 2009 (edition monacensia).