Halb verschütteter Schmugglerpfad oberhalb von Biegno (Italien). Auf der Strasse im Hintergrund fand am 15. September 1939 eine Schiesserei zwischen Finanzieri (Grenzwächtern) und Contrabbandieri (Schmugglern) statt, die den Grenzwächter Latino Vincenzo das Leben kostete.

 

Menschen in Bewegung

Indemini - kleines Dorf mit grossem Grenzverkehr

Indemini galt aufgrund seiner besonderen Lage und der Nähe zu Italien lange Zeit als das «abgeschiedenste Dorf der Schweiz». Bis zum Ersten Weltkrieg gelangte man nur auf Saumpfaden dorthin. Eine Zollstation hatte es bis zu dieser Zeit nicht. Entsprechend war es, wie das benachbarte Biegno, ein Zentrum des Schmuggles. In seinem mit Bildern untermalten Referat berichtet der Referent von illegalen, teils gefährlichen und heute nur mit mithilfe Einheimischer auffindbaren Pfade, über die die illegalen Geschäfte abgewickelt wurden.

Doppelreferat mit Peter Ulrich. Er erzählt von seinem Grossvater, der 1896, mitten im Winter, zu Fuss nach Italien reiste und seine dabei gemachten Erfahrungen in einem Tagebuch festhielt.

Datum:
Donnerstag, 18. April 2024, 19.30 Uhr

Ort:
Gasthof Rössli, Ruswil. Eintritt frei

Veranstalter:
Geschichtsfreunde Ruswil

Anmeldung:
Keine Anmeldung erforderlich

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Vortrag mit Workshop im Rahmen des Tageskongresses "Ganzheitsmedizin"

Krankheit und magisch-religiöse Heilung im Alpenraum

In jedem Menschen stecken Keime einer oder mehrerer Krankheiten. Ob, wann und wie umfassend sich diese Keime zu einer bedrohlichen Krankheit entwickeln, hängt wesentlich vom Seelenzustand des Menschen ab, denn Körper, Geist und Seele stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Was der Seele geschieht, wirkt sich folglich auf den Körper aus, und umgekehrt. In allen Kulturen, einschliesslich der unseren, ist die Heilung einer Krankheit daher auf die Heilung der Seele, oder anderes gesagt, auf die Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts ausgerichtet. Im katholischen Alpenraum geschah und geschieht dies mithilfe von Zaubersprüchen, Heilsegen, Amuletten, Ritualen und Gebeten für die armen Seelen.
All das sind Hilfsmittel, die den Prozess der Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts in Gang setzen und dadurch die Heilung von der Krankheit bewirken sollen. Belege dafür finden sich in der Zentralschweiz zuhauf, wie dies an verschiedenen Beispielen und anhand von originalen Zauberbüchern und Zauberzeichen gezeigt wird.

Datum:
4. Mai 2024, 08.00 bis ca. 20.00

Ort:
München Innenstadt. Die Adresse wird mit der Anmeldung bekannt gegeben.

Präsentationsform:
Workshop mit Bildern. Erarbeitung des Wissens mithilfe originaler Gegenstände und antiker Zauberbücher aus der Sammlung des Referenten..

Anmeldung:

Institut Ganzheitsmedizin e. V. München
www.institut-ganzheitsmedizin.de

info@institut-ganzheitsmedizin.de

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Soeben erschienen

Leben und Sterben auf dem Kandishof
Eine Nidwaldner Bauernfamilie zwischen Tradition und Moderne. Zeitdokumente und Erinnerungen

«Leben und Sterben auf dem Kandishof» schildert die Geschichte und den Alltag der Familie Maria Lussi-Odermatt, die im Jahre 1900 von Stans nach dem luzernischen Dierikon auswanderte. Das Buch ist eine Sammlung persönlicher Erlebnisse des Autors sowie teils nur noch fragmentarisch erhaltener Erinnerungen weiterer Nachfahren des Maria Lussi.

Archipel-Verlag, Ruswil
ISBN: 978-3-9525203-7-6
Paperback, 146 Seiten mit rund 60 meist farbigen Abbildungen
Format: 17 x 23,5 cm

Fr. 28.-

Bestellung und Auslieferung:

Archipel-Verlag, Meyer Rottal Druck AG, Grindel 37, CH-6017 Ruswil www.archipelverlag.ch

info@rottaler.ch
www.rottaldruck.ch
Tel. 041 495 19 19

Direktbestellung bei www.archipelverlag.ch oder über Buchhandlungen.

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Schalknarr. Kolorierter Holzschnitt von Heinrich Vogtherr d. J., um 1540 (Wikimedia commons)


Interview zum Thema Fastnacht

Masken versinnbildlichen den Kampf zwischen Winter und Frühjahr

Die Fastnacht ist der letzte und bedeutendste Brauch des Winterhalbjahres. Und obschon die Fastnachtsbräuche, namentlich jene des Alpenraums, regional und von der historischen Entwicklung her verschieden sind, so stimmen sie doch mit den übrigen Winterbräuchen überein. Es geht immer darum, die Winterdämonen zu vertreiben um Platz für die Vegetationsgeister des Frühlings zu schaffen. Dies geschieht vor allem mit Lärminstrumenten wie Peitschen, Kuhglocken und Rasseln. Andererseits wird der Kampf zwischen den Mächten der Finsternis und den Geistern des Frühjahrs durch Maskengestalten dargestellt. Eine Schlüsselgestalt spielt dabei der Tod. Mit seiner Sense eliminiert er das Alte, das Unfruchtbare und schafft dadurch Platz für das Neue, das Wachsende. Letzteres wird in der Willisauer Fastnacht durch die grün gekleideten Enzilochmannen dargestellt. Grün versinnbildlicht dabei das Wiedererwachen der Natur, während mit Stroh und Hobelspänen vermummte Gestalten den Winter symbolisieren.

Das Interview «Mit Lärm die Vegetationsgeister wecken» erschien in der Ausgabe des Anzeigers vom Rottal vom 11. Januar 2024, S. 7.


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Die Hafenstadt Zadar (italienisch Zara) an der kroatischen Adriaküste. Im Jahre 1403 war die Stadt, die damals zu Venedig gehörte, Schauplatz eines Werwolf- bzw. Vampirprozesses. Im Vordergrund links eine typische venezianische Galere. Handkolorierter Holzschnitt aus der Cosmographia des Sebastian Münster, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. (Privatsammlung)

 

Werwölfe und Vampire an der westlichen Adriaküste

In Istrien und in der ehemaligen Republik Dubrovnik waren Vampir und Werwolf ursprünglich ein und dasselbe. In der zweiten Hälfte des 17. Jh. tauchten dort Vampire auf in der Bedeutung von «toter Mann der Menschen und Tiere angreift und der von einer unreinen Macht geführt wird». In Dalmatien und in den ehemaligen venezianischen Besitztümern der westlichen Adriaküste gebraucht man dafür das italienische Wort lupo mannaro in Lastovo sowie in und um Dubrovnik wurde der Vampir «Schnitter», «Werwolf» oder einfach nur «Wolf» genannt.
Dazu trägt bei, dass in Osteuropa und auf dem Balkan seit jeher der Glaube verbreitet war, dass jeder Mensch, der als Werwolf verflucht war oder sich durch Zauberei in einen solchen verwandelte, nach dem Tod als Vampir zurückehren müsse. Im Laufe der Zeit wurde bei den Slawen der Begriff Werwolf, der ursprünglich nur für wolfsähnliche Wesen verwendet wurde, auf die Untoten übertragen. Im späten Mittelalter traten die tierischen Eigenschaften der Untoten allmählich in den Hintergrund. Zurück blieben Merkmale wie Blutdurst, Bluthunger und die Assoziation mit dem Bösen.
Daraus folgt: In den ehemals zu Venedig gehörenden Küstenregionen waren Vampir und Werwolf zumindest bis ins späte 15. Jh. ein und dasselbe. Erst später ergaben sich Differenzierungen. Als Werwölfe bezeichnete man nach etwa 1600 lebende Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können und in dieser Gestalt Schaden anrichten. Unter «Vampir» hingegen verstand und versteht man bis heute lebende Untote. Das sind Verstorbene, die nachts scheinbar zu den Angehörigen zurückkehren und sie drücken und würgen, bis diese soweit ausgelaugt sind, dass sie vor Erschöpfung sterben. In den Schauerromanen des 19. Jahrhunderts sind Vampire hingegen vor allem adrette Herren vornehmen Geblüts, die sich bevorzugt an den schneeweissen Schwanenhälsen fragiler Fräuleins verlustieren.


Der verlassene Dorffriedhof von Wahrenbrok in Kurland (heute Teil Lettlands). Bram Stoker kannte diesen Ort nicht. Die Postkarte aus der Zeit um 1916/1917 gibt uns jedoch eine Vorstellung davon, wie sich der Autor die Szene von der Begegnung mit dem Werwolf vorstellte. (Sammlung Kurt Lussi)


Der Werwolf in Bram Stokers Kurzgeschichte "Draculas Gast"

Kennern der viktorianischen Schauerliteratur ist die Handlung von Bram Stokers Kurzgeschichte «Draculas Gast» bekannt: Ein junger und etwas von sich eingenommener Engländer unternimmt von München aus einen Ausflug in die Umgebung. Auf einem Kreuzweg, wo der Legende nach ein Selbstmörder verscharrt wurde, lehnt es sein Kutscher vehement ab, in ein offenbar wenig benutztes Strässchen einzubiegen. Die Walpurgisnacht breche an, erklärt er dem Engländer, und das Strässchen führe zu einem verlassenen Dorf, in dem «die Toten nicht tot» seien. Darauf schickt der abenteuerlustige Engländer den Kutscher nach München zurück und macht sich zu Fuss zum verwunschenen Dorf auf. Mit der einbrechenden Dunkelheit gerät er in einen heftigen Schneesturm. Auf der Suche nach einem Unterstand stösst er im Friedhof des verlassenen Dorfes auf ein Grabmal mit der Inschrift GRÄFIN DOLINGEN ZU GRAZ / IN DER STEIERMARK / SUCHTE UND FAND DEN TOD / 1801. Als er die Tür zum Inneren der Grabkammer öffnet, findet er sich einer geisterhaften Frau gegenüber die eben im Begriff ist, aufzustehen. Doch ein Blitz zerstört das Mausoleum, die Frau geht in Flammen auf und der Protagonist fällt in Ohnmacht. Wieder bei Sinnen nimmt er mit Entsetzen wahr, dass ein gigantischer Wolf mit feurigroten Augen und scharfen weissen Zähnen auf ihm liegt und an seiner Kehle leckt. Als sich eine Abteilung Bayerischer Kavalleristen dem Ort des Geschehens nähert, flieht das Tier. Zurück im Hotel erfährt der junge Engländer vom Maître d’Hôtel, dass man den Suchtrupp aufgrund eines Telegramms des Boyaren Dracula, dessen Gast er sei, ausgesandt habe.
Von dieser Kurzgeschichte wird angenommen, dass der Text ursprünglich als Einleitung zu Bram Stokers Novelle «Dracula» gedacht war. Weshalb daraus eine eigenständige Erzählung wurde, können wir bloss vermuten. Vielleicht hat die Weglassung mit der Versetzung des Schauplatzes zu tun. Denn ursprünglich sollte die Handlung von «Dracula», wie Sheridan LeFanus Vampirroman «Carmilla», in der Steiermark angesiedelt sein. Dies würde erklären, weshalb sich das Grabmal in «Draculas Gast» auf die Gräfin Dolingen zu Graz bezieht.
Bezüglich des Aufbaus der Geschichte scheint sich Bram Stoker stark an der Einleitung von Sabine Baring-Goulds «The Book of Were-Wolves» (London 1865) orientiert zu haben. Auch dort nimmt ein unerschrockener «Englishman» (offenbar Sabine Baring-Gould selbst) entgegen dem Rat von Bürgermeister und Pfarrer den Weg durch ein Waldstück, in dem der loup-garou, das französische Pendant zum Werwolf, in gewissen Nächten einsamen Wanderern auflauern soll. Aber anders als in Bram Stokers Novelle bleibt die leibhaftige Begegnung des Erzählers mit einem Werwolf aus.

Literatur:
Baring-Gould, Sabine: The Book of Werewolves. London 1865.
Beresford, Matthew: The White Devil. The Werewolf in European Culture. London 2013
Völker, Klaus (Hg.): Von Werwölfen und anderen Tiermenschen. Dichtungen und Dokumente. München 1972.

 

Eingang zur Kirche der Bruderschaft der Fuhrleute. Unten der "locale dei colatoi" genannte Mumifizierungsraum. (Bilder Kurt Lussi)


Grablege und Kirche der Venerabile Confraternità di S. Maria dell’Itria dei Cocchieri in Palermo

Die ursprünglich aus Reit- und Pferdeknechten bestehende Bruderschaft der maiuri, der Fuhrleute, die bei den adeligen Familien der Stadt Palermo in Dienst standen, wurde im Jahre 1596 als kirchliche Vereinigung gegründet. Sie hatte den Zweck, ihre Mitglieder im Glauben zu bestärken und die Verehrung des Leidens Christi und der Madonna dell’Odigitria (Kurzform Itria), der Patronin Siziliens, zu fördern. Geistiges Zentrum der heute noch bestehenden Bruderschaft, der später auch Kutscher (cocchieri) angehörten, ist die Kirche S. Maria dell’Itria im Quartier Kalsa, im historischen Zentrum von Palermo.
Das kleine Heiligtum war nicht nur Ort der Einkehr und Besinnung, sondern auch Begräbnisstätte der Bruderschaftsmitglieder, die in der unter der Kirche liegenden Krypta beigesetzt wurden. Damit dies möglich war, wurden die Verstorbenen zuerst mumifiziert. Dies geschah in einem tiefer liegenden kellerartigen Raum, den man von der Krypta aus über eine nach unten führende enge und steile Treppe erreicht. In diesen Raum, den man locale dei colatoi (dt. Siebraum) nannte, brachte man den eben Verstorbenen und legte ihn, nachdem der Leichnam mit Wasser und Essig gewaschen worden war, vorerst für ein Jahr auf eine Art Sieb oder Rost. Daher der Name Siebraum. Die dabei austretende Flüssigkeit leitete man mittels eines Abzugskanals in das unter der Kirche durchfliessende Flüsslein Kemonia. Nach Abschluss des Mumifizierungsprozesses legte man den Leichnam in eine der neunzig Grabnischen, die heute bis auf wenige Relikte alle leer und zum Teil auch zerfallen sind.
Nachdem ein Ende des 18. Jahrhunderts erlassenes Gesetz die Bestattung innerhalb der Stadtmauern von Palermo untersagte, wurde die Krypta geräumt und geriet in Vergessenheit.

Die ehemalige Kloster- und heutige Pfarrkirche von Waltham Abbey. Im Vordergrund der noch erhaltene Torbogen, wo zu gewissen Zeiten den Lebenden ein geisterhafter Mönch erscheinen soll. Aufnahme um 1910. (Sammlung Kurt Lussi)

 

Der Geistermönch von Waltham Abbey

Die Gründungslegende von Waltham Abbey führt die Entstehung des Klosters auf die Auffindung eines wundertätigen Kreuzes im Jahre 1035 zurück. 1177 übergab König Henry II. die Klosteranlage den Augustiner-Chorherren. Nach der Aufhebung des Stifts unter Henry VIII. am 23. März 1540 wurden die Konventsgebäude und Teile der Kirche als Steinbruch verwendet. Erhalten blieben lediglich das normannische Langhaus (heute Pfarrkirche), die gotische Marienkapelle und ein Torbogen.
Die Ruinen von Waltham Abbey gelten seither als beseelt von einem geisterhaften Mönch in schwarzem Umhang, der in den Überresten der ehemaligen Abtei umherirren soll. Besonders oft wird er in der Nähe des noch stehenden Torbogens gesehen. Dort will ihm nebst anderen Zeugen der residierende Pfarrer von Waltham mehrfach begegnet sein, wenn er im Priestergewand zur Messe eilte. Die Erscheinung, wird überliefert, habe sich jeweils im Nichts aufgelöst, sobald man ihrer ansichtig wurde. Zurückgeblieben sei ein dezenter Geruch von Weihrauch, der einige Zeit angehalten habe, und manchmal habe man zudem geistliche Gesänge vernommen.
Die Vorstellungen von einem in den Ruinen spukenden Mönch gehen wohl auf die Legende zurück, wonach anlässlich der Klosteraufhebung von 1540 Soldaten des Königs mehrere Mönche ermordet hätten. Deren Leichen, wird erzählt, seien innerhalb der Gemarkung des Klosters in einem Massengrab beigesetzt worden. Hier schliesst sich der Kreis: Gewaltsamer und damit vorzeitiger Tod wirkt unruhig. Fehlt überdies das christliche Begräbnis, findet die Seele des Verstorbenen keine Ruhe.
Etwas entkräftet wird die Legende durch Berichte, wonach die Räumung des Klosters ohne Widerstand erfolgt sei, nachdem Henry VIII. den Abt und die verbliebenen Chorherren mit grosszügigen Abfindungen bedacht hatte.

Literatur:
Farrant, David: Dark Journey. True Cases of Ghostly Phenomena from the files of the British Psychic and Occult Society. London 1999

 

 

Die siebente Zeichen, das dem Ende der Welt vorausgeht. Aus "Das Puch von dem Entkrist", Mitte 15. Jh. Staatsbibliothek München (Bild nach dem Faksimile von 1925)

Soeben erschienen

Weltuntergang und Jüngstes Gericht

Teuerung, Kriege und Seuchen. Apokalyptische Vorzeichen? Kein Zweifel. Das Ende der Welt ist nahe. Das verkünden die Schriften des Nostradamus. Das Jahr 2023 soll uns eine grosse Wirtschaftskrise und den Weltuntergang bringen.
Der Artikel zeigt am Beispiel der Vorhersagen von Nostradamus und jenen des amerikanischen Predigers Harold Camping, dass es Drohungen von Weltuntergang und Jüngstem Gericht schon immer gegeben hat. Er beleuchtet die historischen Hintergründe die zu diesen Vorhersagen führten und kommt zum Schluss, dass wir uns besonders in Zeiten des gesellschaftlichen und klimatischen Wandels vom wirren Geschwätz der Weltverschwörer, religiösen Fanatiker und Sektenprediger hüten sollten.

Mehr zum Thema im Anzeiger vom Rottal. Der Artikel ist in der Ausgabe vom Donnerstag, 29. Dezember 2022 publiziert. Link zum Artikel

Aus dem Grab steigt die Seele des geläuterten Menschen in den Himmel empor. Das Gefäss rechts unten erinnert an die Vergänglichkeit des Körpers. Oben am Himmel die Ouroboros-Schlange. Kupferstich um 1800. (Sammlung Kurt Lussi)


Vergänglichkeit und Reise der Seele

Ouroboros - die Schlange der Ewigkeit

Nach den Vorstellungen fast aller Kulturen trennt sich im Tod die Seele vom Körper. Die sterbliche Hülle des Menschen zerfällt; der Staub kehrt zum Staub zurück (in unserem Bild dargestellt durch ein umgekipptes Gefäss, aus dem Erde rieselt). Vergänglich ist auch der Geist. Mit diesem Begriff wird die intellektuelle Denkfähigkeit bezeichnet, die nur dem Menschen eigen ist. Dem Geist unterliegen zum Beispiel die verstandesmässige Berechnung, die willentliche Zügelung der Triebe, die Lenkung von Tun und Lassen, Lerneifer und Forschungsdrang. Der Geist ist jedoch kein Garant für das Handeln im Sinne der göttlichen Schöpfung, sondern er zeigt, gerade in der Entwicklung und Anwendung von Massenvernichtungswaffen, die Entgleisung des Genius in die Tiefen des Bösen und Zerstörerischen.
Die Seele schliesslich ist der lebensspendende Gottesfunke, der alles in der Natur vorkommende Leben beseelt. Sobald sie aus dem Körper weicht, tritt der Zerfall ein. Sie ist also die Trägerin des Lebens und Inbegriff des Wesens mit seinen arteigenen Formen und Eigenschaften. Dazu gehören zum Beispiel der Selbsterhaltungstrieb, Liebe, Temperament oder schöpferische Gestaltungskraft. In unserem Bild wird sie als geflügelter Mensch dargestellt, der in den Himmel aufsteigt, wie dies Hieronymus Bosch in seinem zwischen 1505 und 1515 entstandenen Gemälde «Aufstieg der Seligen» besonders eindrücklich dargestellt hat.
Im Himmel erwartet die Seele des geläuterten Menschen das ewige Leben im Lichte Gottes, in unserem Bild dargestellt durch die Schlange Ouroboros (oben im Bild). Indem sie sich selbst in den Schwanz beisst, bildet sie mit ihrem Körper einen geschlossenen Kreis. Kreise haben keinen Anfang und kein Ende. Sie sind daher Symbole des Unendlichen und Ewigen, weshalb die Ouroboros Schlange auch als Schlange der Ewigkeit bezeichnet wird. Als solche erscheint sie auf einem der Schreine, die den Sarkophag des ägyptischen Pharaos Tutanchamun (ca. 1341 – 1323 v. Chr.) umgaben. Als Hinweis auf die Ewigkeit finden wir sie später auf christlichen Grabdenkmälern (besonders eindrückliche Beispiele auf dem Highgate Cemetery im Norden Londons). Viele der dortigen Grabdenkmäler entstanden unter dem Eindruck der im 19. und frühen 20. Jahrhundert entdeckten Pharaonengräber mit ihren reich mit Jenseitsdarstellungen und mystischen Symbolen ausgestatteten Totenkammern.

Mehr zum Thema:
Lussi, Kurt: Vom Irdischen zum Himmlischen. Die Aufgabe der Kulturgüter der Kirche in Bezug auf das Heilige Jahr 2000 am Beispiel von zwei Werken des Dekorationsmalers Cipriano Pelli (1750-1822), in: Schnell & Steiner (Hrsg.): Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, Heft 2. Regensburg 1999, S. 126-133.
Lussi, Kurt: Die Reise der Seele ins Jenseits – Der Sterbeprozess am Beispiel von Alfred Rethels „Der Tod als Freund“, in: Uli Wunderlich (Hrsg.): L’Art Macabre 4. Jahrbuch der Europäischen Totentanz-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. Düsseldorf 2003, S. 149-160.

Oben: Die rumänische Königsfamilie. Ganz links Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen, der von 1920 bis zu seinem Tod im Jahre 1927 als Ferdinand I. König von Rumänien war. Hinten in der Mitte Königin Maria Alexandra, die 1920 in den Besitz der Törzburg kam (Postkarte um 1910). Unten: Die Törzburg, bis 1947 Residenz der königlichen Familie (Aufnahme um 1930).


Bran Castle. Das Draculaschloss in Siebenbürgen

Die Törzburg im rumänischen Siebenbürgen, die heute unter dem Namen Schloss Bran mit grossem Erfolg als «Draculaschloss» vermarktet wird, zieht jährlich über eine halbe Million Besucher an. Von wohligem Schauern erfüllt durchwandeln sie das alte Gemäuer im Glauben, dass hier einst der blutrünstige Vlad III. residiert habe und sein unerlöster Geist noch immer als blutsaugender Vampir durch die Hallen wandle. Und nicht wenige glauben, dass er den irischen Autor Bram Stoker zu seiner Romangestalt Graf Dracula inspiriert habe. Doch der Vampir in Bram Stokers Roman hat mit dem Leben und Sterben des echten Grafen nur am Rande zu tun. Und vielleicht nicht einmal das. Der historische Dracula war kein Graf, sondern der walachische Fürst Vlad III., der den Beinamen Drăculea trug. Im Winter 1476/1477 kam der Despot unter ungeklärten Umständen ums Leben. Sein Kopf, so will es die Überlieferung, soll in Honig konserviert und Sultan Mehmed II. als Geschenk überbracht worden sein. Schon dieses Ereignis schliesst dessen Wiederkehr als Vampir aus: Vampire werden nach altem Volksglauben unschädlich gemacht, indem man ihnen den Kopf abschlägt. Und das ist hier bereits geschehen. Auch mit Bran Castle hat Vlad III. wenig zu tun. In den noch erhaltenen Eigentümerverzeichnissen erscheint er weder als Besitzer, noch hat er längere Zeit auf der Burg gewohnt. Nur in einer Quelle wird erwähnt, dass er darin offenbar einmal übernachtet hat.
Auch ohne den Vampirgrafen hat die Törzburg eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Erstmals urkundlich erwähnt wird sie 1357. Im Jahre 1377 gestattete der ungarische König Ludwig der Grosse den Bewohnern von Kronstadt (rum. Brașov) die Törzburg (ung. Törcsvár) zu einer Grenz- und Zollburg auszubauen. Bis 1427 blieb sie unter ungarischer Herrschaft. Im Jahr 1498 gelangte die Burganlage in den Besitz Kronstadts. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das ehemals zu Österreich-Ungarn gehörende Siebenbürgen dem Königreich Rumänien zugeschlagen. 1920 schenkten die Kronstädter die Burg Königin Maria Alexandra Victoria von Edinburgh (1875-1938). Sie war die Gattin von Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen, der ab 1914 bis zu seinem Tod im Jahre 1927 als Ferdinand I. König von Rumänien war. Erst unter Maria Alexandra erhielt die Burg ihr heutiges schlossartiges Aussehen. Bis 1947 war sie Residenz der königlichen Familie.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Rumänien kommunistisch und die Burg vom Staat konfisziert. Der neostalinistische Diktator Nicolae Ceaușescu liess die rund dreissig Kilometer südwestliche von Bukarest liegende Törzburg in Schloss Bran (rum. Castelul Bran, engl. Bran Castle) umbenennen und nach und nach zu einer Touristenattraktion ausbauen. Auf diese Zeit zurück geht die Verbindung des Schlosses mit dem Walachenfürsten Vlad III. und die Mär, die Törzburg habe Bram Stoker als Vorbild für sein fiktives Schloss Dracula auf dem Borgopass gedient. Unsterblich wie der walachische Vampir sind eben auch die Legenden, die den Untoten umranken.

Oben: Barbara Villiers, Duchess of Cleveland (1641-1709). Mezzotinto aus: Illustrious Characters in British History. Published by S. Woodburn, England, 1814. Unten: Walpole House in Chiswick, um 1905. (Sammlung Kurt Lussi)

 

Der unruhige Geist der königlichen Mätresse

Unter den vielen Mätressen des englischen Königs Charles II. war Barbara Palmer (1640-1709), geborene Villiers und spätere Herzogin von Cleveland, wohl die bekannteste und der Überlieferung nach auch die schönste. Sie war aber auch berüchtigt für ihre Extravaganzen und die unkontrollierten Wutausbrüche. Nach dem Tod ihres königlichen Liebhabers im Jahre 1685, einer zweiten Ehe und verschiedenen Affären zog sie sich von der Öffentlichkeit zurück. Die letzten beiden Lebensjahre verbrachte sie im heute noch stehenden Walpole House in Chiswick im Südwesten Londons, wo sie am 9. Oktober 1709 verstarb. Ihre Überreste ruhen auf dem Friedhof von St. Nicholas in Chiswick in einem unmarkierten Grab.
Die Zeit in Chiswick scheint die qualvollste ihres Lebens gewesen zu sein. Ihre frühere Schönheit war längst verblasst und der Körper wegen einer fortgeschrittenen Wassersucht aufgedunsen. Mit ihrem Schicksal schien die alternde Herzogin bis an ihr Lebensende gehadert zu haben. Der Überlieferung nach sah man sie oft bei Vollmond am Fenster stehen, wo sie mit über der Brust gekreuzten Armen den Allmächtigen anflehte, er möge ihr die frühere Schönheit zurückgeben.
Der Tod der Herzogin war offenbar kein friedlicher und ihr Seele scheint bis heute keine Ruhe gefunden zu haben. Wenn das diffuse Licht des Vollmondes die Fassade des alten Hauses bestreicht, erzählen die Anwohner, können man das aufgedunsene und verschwollene Gesicht der Herzogin erkennen, das diese voll Verzweiflung an die Scheibe eines Fensters presse. Dabei rolle sie ihre dunklen Augen im Flehen um die Wiedererlangung ihres einstigen Aussehens.
Andere wollen in einem der oberen Stockwerke das Walpole House auf- und abgehende Schritte gehört haben, wenn ihr ruheloser Geist in dunklen Nächten die zwei qualvollen Jahre in Walpole House in Erinnerung ruft.

Literatur:
Jones, Richard: Walking Haunted London. 25 original Walks exploring London’s ghostly past. London 1999, S. 85-86.
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Gehöft Lessemnjek in Kurland. Feldpostkarte nach einer Fotografie von Eugen Wittorf (1880-1945), aufgenommen im Winter 1916/1917 (Sammlung Kurt Lussi)


Ein Bericht aus dem Jahre 1677

Werwölfe in Livland und Kurland

"Nicht unfüglich lasset sich alhier bey dieser Gelegenheit (weilen ich ohne dis der Teufflischen Verwandlung gedencke) mit anfügen/das gemeine ja leider überhand genommene und eingerissene Land=übel / so sichs meistens in denen Nordischen Landen / und daselbst angränzenden Fürstenthümern absonderlich in Cur=und Lieffland zuträget / dass sich allda die Hexen und zauberischen Unholden in Wölffe verwandeln / bey Nacht=Zeit herum lauffen die Leute / Vieh= und Feld=Früchten jämmerlich beschädigen / und grossen Schaden verursachen; (dahero sie auch Wahr= oder Gefahr= und von etlichen gar Fahr=Wölffe genennet werden/) des Morgens gegen Tage (wann man es will beobachten) siehet man sie häuffig über Feld und nach Haus ihren Dörffern und Wohnungen zu / wieder anheim lauffen / da sie dann ihre natürliche menschliche Gestalt wieder annehmen / ihre Gewerb und Verrichtungen gleich andern Menschen leisten und üben / essen / trincken / reden / und leben wie verständige Menschen zu thun pflegen." (Auszug aus: Christian Kortholt: Nord=Schwedische Hexerey / Oder Simia Dei, Gottes Affe. Das ist: Außführliche Beschreibung der schändlichen Verführungen des leidigen Satans ... Zitiert nach der Ausgabe von 1677.)

Eine ostpreussische Wolfsjagd. Die Jagdgesellschaft mit dem erfolgreichen Schützen Hegemeister Wolff (3.v.l.) und Oberförster Klempin (4.v.l.) posiert am Morgen des 3. Dezember 1901 vor dem Gasthaus Lehmann in Tulpeningken. In der Bildmitte der erlegte Wolf (aus: Wild und Hund. Illustrierte Jagdzeitung. XXXIII Jahrgang Nr. 1 vom 7. Januar 1927) .


Von Wölfen und Werwölfen

Eine Wolfsjagd in Ostpreussen

Unruhe im grossen Forst von Neu-Lubönen, einem Ort in Ostpreussen, unweit der Grenze zum damals zaristischen Russland. Es ist der 2. Dezember 1901. Draussen liegt Schnee und von Russland her pfeift an diesem Dezembermorgen ein eisiger Wind. Wölfe im Revier, meldet der Hegemeister dem Oberförster Klempin im Forsthaus von Neu-Lubönen. Noch am Vormittag wird eine Wolfsjagd zusammengestellt. Zwar stossen die Förster gegen Mittag auf die Fährte eines grossen Wolfes, zu Gesicht bekommen sie ihn jedoch nicht. Für den folgenden Tag organisiert Oberförster Klempin eine Treibjagd zu der auch Förster und Holzarbeiter benachbarter Reviere aufgeboten werden. Am Vormittag des 3. Dezember kann der Wolf schliesslich in einer Schonung umstellt werden. Noch vor dem Mittag gelingt es, das Tier zu erlegen. Nachdem keine weiteren Wölfe mehr gefährtet werden, begibt sich die Jagdgesellschaft zum Gasthaus Lehmann im benachbarten Ort Tulpeningken, wo bereits der Fotograf wartet.
Seit dieser denkwürdigen Jagd hat sich in der ehemaligen deutschen Provinz Ostpreussen vieles verändert. Nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben die Russen die deutschstämmige Bevölkerung, soweit sie den Krieg überlebt hatte. Ostpreussen wurde aufgeteilt. Der südliche Teil ging an Polen, der nördliche an Russland. Neu-Lubönen heisst heute Zelenodolje. Seither sind viele der aus deutscher Zeit stammenden Gutshöfe verschwunden und mit ihnen eine Jahrhunderte alte Kultur. Fast unverändert geblieben ist hingegen der grosse, weitläufige Forst. Geblieben sind auch die Wölfe und mit ihnen der Glaube an Werwölfe, der nicht nur unter der vertriebenen deutschstämmigen Bevölkerung verbreitet war. Auch bei den nach dem Krieg in Ostpreussen angesiedelten Russen geht die Furcht vor dem Werwolf um. Sie nennen ihn oboroten, was verwandelt und zugleich behände bedeutet. Darauf bezieht sich ein alter russischer Brauch. In der Weihnachtszeit hängen sich junge Burschen vilcuren (Wolfspelze) um. So verkleidet ziehen sie durch die Dörfer und necken und peinigen jene, die sie erhaschen. Dies erinnert an ähnliche Überlieferungen aus anderen Gegenden im Nordosten Europas. Frühe Belege dafür finden wir in der "Nord-schwedischen Hexerey", einer 1677 gedruckten "Beschreibung der schändlichen Verführungen des leidigen Satans". Aus dem Druckwerk geht hervor, dass in Kurland und Livland die Weihnachtszeit, besonders aber die zwölf Tage und Nächte zwischen dem Weihnachts- und dem Dreikönigstag, die bevorzugte Zeit der Werwölfe war, in der sie die Lebenden besonders häufig plagten und ihnen selbst in den Dörfern nachstellten. Waren es hungrige Wölfe, die damals in die Dörfer eindrangen und von denen man glaubte, es seien Werwölfe? Oder beziehen sich die Angaben auf einen alten Brauch, bei dem sich Burschen wie in Russland Wolfsfelle umhängten und so in den Zwölften marodierend durch die Dörfer zogen? Wir wissen es nicht.

Literatur:
Kortholt, Christian: Nord=Schwedische Hexerey / Oder Simia Dei, Gottes Affe. Das ist: Außführliche Beschreibung der schändlichen Verführungen des leidigen Satans ... 1677 (ohne Ortsangabe). Digitale Ausgabe der SLUB Dresden https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/91875/1 (Aufruf vom 27.12.2021)
Hertz, Wilhelm: Der Werwolf. Beitrag zur Sagengeschichte. Stuttgart 1862.
Eine ostpreussische Wolfsjagd
. Artikel von Forstrat i. R. Klempin, vormals Neu-Lubönen (heute russ. Selenodolje), in: Wild und Hund. Illustrierte Jagdzeitung. XXXIII Jahrgang Nr. 1 vom 7. Januar 1927, S. 2 bis 5 (mit 1 Abbildung).


Oben: Ein Verstorbener wird mit den Füssen voran aus dem Haus getragen, damit er nicht als Untoter zurückkehrt. Rumänien um 1910. Unten: Ein Klappmesser, zwei Handsicheln und ein grosser Eisennagel aus Bulgarien (von oben). Der Gebrauch von Eisennägeln anstelle von Pfählen zur Bannung von Vampiren und anderen Untoten ist mehrfach belegt, u. a. durch einen Bericht des Grafen Cabrera (1730) sowie durch neuere archäologische Funde in Bulgarien, Polen und England. Für das Herausreissen der Herzen finden sich ebenfalls Quellen, welche die alte Sitte belegen (u. a. Bericht des Botanikers Joseph Pitton de Tourneforts 1718).(Bilder und Sammlung Kurt Lussi)


Ein Fall von Vampirismus in Rumänien

Der Glaube an Verstorbene, die als Vampire zurückkehren, ist auf dem Balkan noch immer lebendig

Am 26. Dezember 2003 verstarb im rumänischen Dorf Marotinu de Sus der 76 Jahre alte Toma Petre an den Folgen eines Unfalls. Sechs Wochen später klagte Mirela Marinescu, eine Nichte des Verstorbenen, sie werde von einem Moroi, einem Vampir, geplagt. Dieser sauge ihr das Blut aus und wolle sie töten. Für die Familie war klar, dass nur Toma Petre dieser Moroi sein könne. Um die junge Frau zu retten, begaben sich unter Leitung von Gheorghe Marinescu sechs Männer der Familie auf den Dorffriedhof, öffneten das Grab und nahmen den Leichnam heraus. Dieser wies die seit Jahrhunderten bekannten Anzeichen eines Untoten auf: Das Gesicht war rot, der Bart im Grab weiter gewachsen und aus der linken Mundecke floss frisches Blut. Als die Turmuhr Mitternacht schlug, öffnete Mircea Mitrica, einer der sechs, den Brustkorb des Toten und riss ihm mithilfe einer Sichel das Herz heraus. Anschliessend bestreuten die Männer den Leichnam mit Knoblauch, trieben einen Pfahl durch den Körper und legten ihn sorgsam ins Grab zurück. Danach entfachten sie an einem Kreuzweg ein Feuer und rösteten das auf einen Spiess gesteckte Herz. Zurück im Haus des Mädchens verbrannten sie das angesengte Herz vollends zu Asche und gaben diese vermischt mit Wasser der Kranken zu trinken. Bereits am anderen Morgen zeigte die junge Frau deutliche Anzeichen der Besserung. Innert kürzester Zeit war sie vollständig genesen.
Bekannt wurde dieser Fall lediglich deshalb, weil der Tochter des Toten aufgefallen war, dass sich offenbar jemand am Grab ihres Vaters zu schaffen gemacht hatte. Auf dem Gerichtsweg setzte sie dessen Exhumierung durch. Das fehlende Herz führte schliesslich zur Anklage und Verurteilung der sechs Männer wegen Grab- und Leichenschändung.

Literatur:
Beresford, Matthew: The Dangerous Dead: The Early Medieval deviant burial at Southwell, Nottinghamshire in a wider context. MBArchaelogy Local Heritage Series. Number 3, Oktober 2012.
Hamberger, Klaus: Mortuus non mordet: kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689-1791. Wien 1992.

 

Leichenfeier in Lăzarea, einem vorwiegend von ungarischen Szeklern bewohnten Dorf im Osten von Transsylvanien. Im Hintergrund der mit weissen Kreuzen bemalte (noch leere) Sarg, den vielleicht die beiden Männer links im Bild gebracht haben. In der Mitte und rechts Familienangehörige und Klageweiber, die im Auftrag der Angehörigen die traditionellen Klagelieder singen. 1918 datierte Fotografie eines deutschen oder österreichischen Soldaten. (Bis 1918 gehörte Transsylvanien zum Königreich Ungarn und damit zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie.) (Sammlung Kurt Lussi)


Leichenfeier in Lăzarea, Rumänien, 1918

Transsylvanisches Begräbnis

Im gesamten Balkanraum befolgt man bei der Bestattung eines Verstorbenen von der Tradition vorgeschriebene Regeln. Eine besondere Bedeutung hat die Waschung der Leiche. Sie dient nicht nur der Reinigung des Körpers, sondern man bezweckt damit auch die Sündentilgung: Mit Wasser und Seife sollten die am Körper noch anhaftenden Sünden abgewaschen werden. Danach zieht man dem Toten neue Kleider an, damit er auf seiner Wanderschaft ins Jenseits gerüstet ist und in sauberer Aufmachung vor den Allmächtigen treten kann.
Dem Toten gab man bis in die neueste Zeit Dinge mit ins Grab, die seine Wiederkehr als Vampir verhindern sollten. Dazu gehörten Münzen. Mit diesen entlohnte er den Fährmann, der ihn über den Totenfluss setzte, der das Diesseits vom Jenseits trennt. Als Wegzehrung für senen Gang ins Reich der Schatten legte man ihm an einigen Orten Brot, Obst, Käse und Fleisch in den Sarg (Busbeque, Jagodina, 1564), manchmal auch Wein und Schnaps.
Besonders wichtig waren die Klagelieder, die von eigens dafür engagierten Klageweibern gesungen wurden. Diese Frauen achteten streng darauf, dass ihre Trauerbezeugungen nicht ausuferten, denn man glaubte, eine übermässige Trauer würde die Sehnsucht des Toten nach den Lebenden wecken und damit seiner ewigen Ruhe im Wege stehen.
Damit der Tote nicht als unliebsamer Wiedergänger oder Vampir zu den Lebenden zurückkehrt, streut man ihm sicherheitshalber noch heute Mohnsamen in den Sarg. Mit dem Brauch verbindet sich der Glaube, wonach der Verstorbene erst die Samen zählen muss, bevor er als Untoter sein Grab verlassen und zu den Lebenden zurückkehren kann (was ihm vor der Morgendämmerung nie gelingt). Apotropäischen Charakter haben auf dem Bild aus Lăzarea vielleicht auch die auf dem Sarg aufgemalten weissen Kreuze. Sie sollten den Toten wohl am Verlassen des Grabes hindern. Einen möglichen Beleg dafür finden wir in einem aus der Krajina (Serbien) überlieferten Brauch: Um einem allfälligen Vampir den Zutritt zu Haus und Hof zu verwehren, malte man schwarze Pechkreuze auf die Eingangstüren.

Literatur:
Kreuter, Peter Mario: Der Vampirglaube in Südosteuropa: Studien zur Genese, Bedeutung und Funktion – Rumänien und der Balkanraum. Berlin: Weidler, 2001.
Schneeweis, Edmund: Serbokroatische Volkskunde. Berlin: de Gruyter, 1961.

 

Oben: Ruine der Abbey von Whitby im Dämmerlicht (um 1910). Unten: Whitby Jet, ein Mineraloid aus dem im viktorianischen England Trauerschmuck verfertigt wurde (links). Daneben Schlangenstein (versteinerter Ammonit aus Whitby).


Die Äbtissin, der Geisterhund Barghest und ein gestrandeter Schooner

Bram Stoker's Graf Dracula in Whitby

Whitby im Nordosten der Grafschaft North Yorkshire, England, ist einer der Schauplätze in Bram Stoker’s Roman Dracula. Es ist wohl kein Zufall, dass Stoker einen wichtigen Teil seines Dramas hier ansiedelte. Das Hafenstädtchen strahlt nicht nur eine fast gespenstische Ruhe aus, sondern es ist auch Heimat von Legenden und mythischen Erzählungen, die mit bestimmten Orten und historischen Ereignissen verknüpft sind.
Einer dieser Schauplätze ist die hoch über den Klippen stehende und von weitem sichtbare Ruine der aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden Abteikirche von Whitby. Bereits im 7. Jahrhundert stand hier ein Kloster. Gründerin und erste Äbtissin war die schon zu Lebzeiten hochverehrte und später heiliggesprochene Hilda. Mit ihr verbinden sich zahlreiche Legenden. Eine erzählt, dass die Küste von Whitby einst von einer Schlangenplage heimgesucht worden war. Darauf habe Hilda die Tiere gebannt, zu einer Ecke des Cliffs gejagt und sie dort mit einer Rute enthauptet. Ungläubige verweisen die Einheimischen, welche diese Geschichten erzählen, gerne auf die schlangenartigen Fossilien, die man am Fuss der Klippen findet. In Wahrheit handelt es sich dabei um die versteinerten Überreste einer vor etwa 170 Millionen Jahren ausgestorbene Ammonitenart mit dem Gattungsnamen Hildoceras bifrons.
Mit der Äbtissin wird auch der mit schwarzen Pferden bespannte gespenstische Leichenwagen in Zusammenhang gebracht, den einige gesehen haben wollen. Seit Jahrhunderten soll er, von einem kopflosen Kutscher gelenkt, dem Cliff entlangjagen und schliesslich mitsamt seiner grausigen Fracht ins Meer stürzen.
Selbst in den Erzählungen von unruhigen Geistern ist die heilige Hilda präsent. In dunklen Nächten, heisst es, erscheine sie in den gotischen Fensternhöhlungen der Abteikirche, die sich in der Dämmerung gegen den Himmel abzeichnen. Weiss, von engelgleicher Gestalt und umgeben von einer leuchtenden Gloriole schaut Hilda Jahrhunderte nach ihrem Tod über die Gegend, die sie der Überlieferung nach einst von den Schlangen, Symbolen des Teufels und des Bösen, befreit hatte. Von dieser Legende hatte Stoker gehört, denn er erwähnt sie in seinem Roman. Zweifellos kannte er auch die Erzählungen vom Barghest, dem schwarzen Geisterhund, der seit Urzeiten die Küsten der Grafschaft North Yorkshire unsicher macht. Und auch die Idee vom russischen Segler Demeter, mit dem Graf Dracula begleitet von einem Sturm, in Whitby strandete, stammt nicht von ihm. Vorbild dafür war der grosse Sturm vom 24. Oktober 1885, in dessen Verlauf der im russischen Narva registrierte Schooner Dmitry auf dem Strand aufgelaufen und so stark beschädigt worden war, dass er abgewrackt werden musste.

Literatur:
Browne, James J.: Bloodlust in Whitby and Highgate. An Introduction to English Vampire Lore and History. 2014 (ohne Ortsangabe).

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Die Clapp Memorial Library in Belchertown, Massachusetts (USA). Ein Night Guard will verschiedentlich eine Spukerscheinung gesehen und cold spots wahrgenommen haben. (Fotografie von 1914. Sammlung Kurt Lussi)


The Clapp Memorial Library in Belchertown

Cold Spots und eine spukhafte Bibliothekarin

Die Clapp Memorial Library in Belchertown im US-Bundesstaat Massachusetts hat sich seit 1914, als das obige Bild entstand, kaum verändert. Im Innern der am 1. September 1887 eröffneten Bibliothek befinden sich noch immer Möbel und Gestelle aus der Bauzeit. Und auch der Schreibtisch von Lydia A. Barton, die von 1887 bis 1911 erste Bibliothekarin war, ist noch vorhanden. Mit ihr und dem Schreibtisch in Zusammenhang gebracht werden verschiedene paranormale Aktivitäten, die für überregionale Aufmerksamkeit sorgen. So sagte der am Abend allein anwesende Night Custodian Jacques J. Benoit 2008 in einem Interview, er habe verschiedentlich eine seltsame Erscheinung in menschenähnlicher Gestalt gesehen. Zudem hätten sich auf den Gestellen von selbst Bücher bewegt. Benoit berichtete auch von Orten im Gebäude, an denen die Temperatur merklich tiefer gewesen sei, als jene der Umgebung. Diese eng begrenzten Stellen nennt man cold spots. Sie entstehen immer dann, wenn sich Geistwesen bemerkbar machen wollen, da sie die dazu benötigte Energie aus der unmittelbaren Umgebung beziehen.
Für die Phänomene in der Clapp Memorial Library gibt es vielleicht natürliche Ursachen. Belegen lässt sich dies nicht – auch nicht das Gegenteil. Unerklärlich bleibt, was die seltsamen Vorkommnisse mit der ersten Bibliothekarin zu tun haben. Lydia A. Barton führte ein zurückgezogenes unauffälliges Leben, umgeben von den Büchern, denen sie ihr halbes Leben widmete. Sie starb am 29. Mai 1914 im Alter von 79 Jahren. Ihr Grab befindet sich auf dem Mount Hope Cemetery in Belchertown.

Quellen:
https://www.clapplibrary.org/about-us/
https://de.findagrave.com/memorial/110357499/lydia-a.-barton

Interview mit Jacques J. Benoit in: Words From Beyond. Episode aus der US-Fernsehserie Ghost Hunters, erstmals ausgestrahlt am 19. März 2008.

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Die RMS Queen Mary im Atlantik, Ende der 1930er Jahre. Zeitgenössische Postkarte. (Sammlung Kurt Lussi)


RMS Queen Mary

Ein "haunted" Transatlantikliner

Über dreissig Jahre verband der 1936 in Dienst gestellte Transatlantikliner RMS Queen Mary die Alte mit der Neuen Welt. Heute liegt der einstige Stolz der britischen Cunard Reederei fest vertäut am Quai von Long Beach in Kalifornien. Umgebaut zu einem Hotel, ist der Ozeanriese nicht nur eine Touristenattraktion, sondern auch ein bekannter Hotspot für paranormale Erscheinungen. Überall auf dem Schiff soll es spuken. Als "most haunted" gilt der Stateroom B340. In dieser Kabine der dritten Klasse starb 1948 der britische Passagier Walter J. Adamson unter ungeklärten Umständen. 1966 berichtete eine Frau, welche diese Kabine gebucht hatte, sie sei mitten in der Nacht aufgewacht, weil ihr jemand die Decke weggezogen habe. Als sie die Augen öffnete, sah sie am Fussende des Bettes einen ihr unbekannten Mann stehen. Sie schrie nach dem Steward. Bei dessen Erscheinen löste sich die Gestalt im Nichts auf. Unheimliches nahmen auch andere Gäste wahr. Sie berichteten von plötzlich im Badezimmer eingeschaltetem Licht, Klopfgeräuschen und Bettwäsche, die von unsichtbarer Hand zurückgeschlagen wurde. Als sich die Vorkommnisse häuften, wurde B340 für Gäste geschlossen.
Unheimliches wird auch von der Hatch Door #13 berichtet. Das ist auf der RMS Queen Mary die Bezeichnung für das Schott zwischen Kessel- und Maschinenraum. Hier geschah 1966 ein grässlicher Unfall. Während einer Überfahrt kam mitten in der Nacht von der Brücke die Durchsage, die Schotten würden geschlossen. Dies wurde einem 18 Jahre alten Heizer aus Yorkshire zum Verhängnis, der die Meldung offenbar überhört hatte. Der Mann wurde zwischen Schott und Rahmen eingeklemmt und tödlich verletzt. Seither soll sich sein unruhiger Geist in der unmittelbaren Umgebung der Hatch Door #13 bemerkbar machen. Besucher berichteten, sie hätten hinter sich seine Präsenz gespürt und ein merkwürdiges Pfeifen vernommen. Einige wollen einem geisterhaften Ingenieur begegnet sein, der den jungen Heizer suchte. Andere erzählten, sie hätten eine bärtige Gestalt in blauem Overall gesehen, die jenem Mann glich, der hier auf tragische Weise ums Leben gekommen war.

Literatur (Auswahl):
Clune, Brian; Bob Davis; Christopher Fleming (Vorwort): Ghost of the Queen Mary. Charleston 2014 (Reihe Haunted America).
Strickland, Nicole: Haunted Queen of the Seas: The Living Legend of the RMS Queen Mary. 2020 (ohne Ortsangabe).

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Oben: Porträt der Königin Catherine Howard. 1697 gedruckter Kupferstich von Cornelius Martinus Vermeulen (1644-1708) nach einem Gemälde des holländischen Malers Adrian Van der Werff (1650-1722). Unten: Die Haunted Gallery im Hampton Court Palace verband die privaten Räume von Henry VIII. mit der Palastkapelle. In der Gallery macht sich zu gewissen Zeiten der laut schreiende Geist von Catherine Howard bemerkbar. Postkarte um 1920. (Sammlung Kurt Lussi)


Restless Royals

Königliche Geister im Hampton Court Palace, London

Vorzeitiger Tod und damit nicht erfülltes Leben wirken unruhig. Im Hampton Court Palace im äussersten Südwesten Londons erscheinen seit Jahrhunderten die Geister von zwei Gemahlinnen des Tudorkönigs Henry VIII., denen ein vorzeitiges Ende beschieden war. Jane Seymour (um 1590 bis 1537), seine dritte Ehefrau, starb wenige Tage nach der Geburt des ersehnten Thronfolgers an Kindbettfieber. Ihre blassweisse Gestalt wird meist in der Nähe der eichenen Treppe gesehen, die zum Wöchnerinnengemach der Königin führt. Dort macht sie sich vor allem in der Zeit um den Geburtstag ihres Sohnes, des späteren Edward VI., bemerkbar.
Einen gewaltsamen Tod erlitt Catherine Howard, die fünfte Ehefrau von Henry VIII. Wegen einer Affäre, die sie mit ihrem Verehrer Thomas Culpeper hatte, wurde die erst Neunzehnjährige am 13. Februar 1542 im Tower von London zufolge Hochverrats enthauptet. Der Legende nach soll sich die Königin nach ihrer Festnahme von den Bewachern losgerissen und laut um Vergebung und Milde schreiend durch den Palast gerannt sein. Ihren Gemahl, der zu dieser Zeit in der Palastkapelle betete, erreichte sie jedoch nie.
Ihr unruhiger Geist irrt seither durch die Räume von Hampton Court. Besonders oft wird er in der Haunted Gallery gesehen, einem heute als Galerie genutzten Korridor. Er verband die privaten Gemächer des Königs mit der Palastkapelle. Durch diesen Korridor, wird erzählt, soll die Königin auf der Suche nach ihrem Gemahl gerannt sein.
Seltener tritt Catherine Howards ruhelose Seele in der Great Hall auf. Dort soll sie nachts als weisse Gestalt in den Saal stürmen. Händeringend und verzweifelt schreiend steht sie plötzlich still, wendet abrupt, geht den Weg zurück, den sie gekommen ist, und löst sich schliesslich am Eingangsportal im Nichts auf
Die sterblichen Überreste von Catherine Howard ruhen in der königlichen Kapelle von St. Peter Ad Vincula im Tower von London.

Verlassenes Haus im Süden der USA. In angelsächsischen Ländern gelten unbewohnte und dem Zerfall überlassene Gebäude als Orte, die von unruhigen Totengeistern besetzt sind. Fotografie um 1890. (Bild und Sammlung Kurt Lussi)

Paranormale Phänomene: Erklärungsversuche für das Unheimliche 

Geister - von Spukwesen und den Liebsten im Jenseits

Erzählungen von Spukereignissen sind Erklärungsversuche, entstanden aus der Angst des Menschen, Gewalten ausgeliefert zu sein, gegen die er machtlos ist. Es geht also immer um das Unbekannte, Unerklärliche und Ungewisse. All das verursacht Angst. Was hat es mit dem Gerumpel auf dem Dachboden auf sich? Welche Bedrohung geht davon aus? Wie sind die seltsamen Lichterscheinungen zu erklären, die aus dem Nichts heraus aufzutreten scheinen? Indem der Mensch für scheinbar unerklärliche Vorkommnisse eine Erklärung findet, wird das Unfassbare fassbar: Das Gerumpel ist nichts anderes als ein Verstorbener, vielleicht sogar einer aus der Familie. Für das Heil seiner Seele helfen Gebete. Das weissliche Licht ist womöglich eine unerlöste Seele, die durch einen Exorzismus gebannt werden kann.
Ein wesentliches Merkmal von Geistererscheinungen ist ihre Bindung an bestimmte Orte. Das können Häuser sein, Wegkreuzungen, Strassen oder Friedhöfe. Diese Orte verbinden die unsichtbare Welt der Geister und Dämonen mit der Wirklichkeit. Allein durch ihre Existenz sorgen sie dafür, dass die merkwürdigen Geschehnisse immer und immer wieder erzählt werden. Dies gilt vor allem für Spukhäuser. In den angelsächsischen Ländern sind das meist unbewohnte und dem Zerfall preisgegebene Gebäude. In diesen werden Realität und Alltagswahrnehmung in Frage gestellt, vielleicht auch deshalb, weil ihnen der Ruf vorauseilt, dass hier das Unheimliche besonders präsent ist.

Literatur:
Lussi, Kurt: Mythisches, Magisches, Makabres. Das Leben, der Tod und die Welt der Geister. Herausgegeben von Christoph Lichtin, Historisches Museum Luzern. Edition Voldemeer Zürich; Walter de Gruyter GmbH. Berlin/Boston 2019. ISBN 978-3-11-063570-6

Pressefoto vom 29. Oktober 1926. Beim Gebäude im Hintergrund handelt es sich um die 1887 erbaut St. Katherine’s Chapel von Williamston, Michigan. Links im Vordergrund das Grab der am 29. Februar 1864 verstorbenen Kittie. Rechts das Grabmal ihres Vaters John Harris Forster. Unten: Ambrotypie eines etwa sechs Jahre alten Mädchens. USA, um 1865 (Symbolbild).


Ein Pressefoto und eine Spukgeschichte aus der Neuen Welt

Das "Haunted House" in Williamston, Michigan

Das Pressefoto vom 29. Oktober 1926 zeigt ein hölzernes Gebäude auf dessen First ein Kreuz angebracht ist. Vorne sind eine Stele und links davon ein Grabstein zu sehen. Auf der Rückseite steht “Chapel and cemetery which adjoins Haunted house built by John Harrison Forster near Williamson Mich”. Auf welches Ereignis der Spuk  zurückzuführen ist, sagt uns der Text nicht.
Licht ins Dunkel bringen die Fakten. Beim Gebäude im Hintergrund handelt es sich um die heute noch stehende St. Katherine's Chapel, die John Harris Forster 1887 in Erinnerung an den allzu frühen Tod seiner sechs Jahre alten Tochter Katherine, genannt Kittie, erbauen liess. Das Kind verstarb am 29. Februar 1864. Sein Grab findet man auf dem kleinen, der Kapelle vorgelagerten Friedhof. Die Stele rechts ist das Grabmal von John Harris Forster (27. Mai 1822 bis 15. Juni 1894).
Kapelle und Friedhof befinden sich im nordwestlichen Teil von Williamston Township, einer zivilen Gemeinde im Ingham County im US-Bundesstaat Michigan. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Gebiet vom Stamm der Saginaw-Indianer als Begräbnisplatz genutzt. Wo genau sich dieser befand, ist nicht überliefert. Man weiss nur, dass er nördlich des Red Cedar River und damit in der Nähe der St. Katherine's Chapel zu suchen ist. Soweit die Fakten.
Welcher Art das Phänomen war, das die Bewohner des "Haunted House"um den Schlaf brachte, kann nur vermutet werden. War es der "Ghost" eines Saginaw-Indianers, der das auf dem Land seiner Ahnen stehende Anwesen heimsuchte? Darauf deuten die bis heute lebendigen Vorstellungen des Volkes der Chippewa, zu dem der Stamm der Saginaw gehört. Diese glauben, dass sich der Geist eines Verstorbenen noch eine gewisse Zeit in der Nähe des Körpers aufhält. Daher errichten sie über den Gräbern ihrer Toten Hütten aus Holz, in denen die Seele des Verstorbenen bis zu ihrer Reise in die Ewigkeit wohnen kann. Nun, das ist die eine Version. Nach einer anderen soll es die Seele der kleinen Kittie gewesen sein die ihre Ruhe nicht finden konnte und sich daher den Lebenden bemerkbar machte. Diese Auffassung hat ihre Wurzeln im europäischen Volksglauben: Vorzeitiger Tod und damit nicht erfülltes Leben verhindern die ewige Ruhe. Folglich müssen die Seelen jener Verstorbenen, die zu früh oder gar gewaltsam aus dem Leben schieden so lange umgehen, bis die Zahl der Jahre erreicht ist, welche die Betreffenden noch zu leben gehabt hätten.
Was genau vor fast einhundert Jahren geschah und wie man das unerklärbare und damit unheimliche Etwas deutete, werden wir nie erfahren. Aber der Spuk muss in Williamston allgemein bekannt gewesen sein. Anders lässt sich die Entstehung des Pressefotos nicht erklären. Aber wie bei fast allen diesen Phänomenen gilt: Was als Erscheinung eines Spirits gedeutet wird, hat bei näherem Hinsehen fast immer natürliche Ursachen. Trotzdem, es bleibt ein Rest von Ungewissheit, denn die Existenz von Totengeistern kann weder bewiesen noch widerlegt werden.

Oben: Alloway Auld Kirk. Schon zu Robert Burns Zeiten galt die Kirchenruine als unheimlich und von Dämonen und bösen Geistern besetzt. Unten: Im letzten Moment reisst die junge Hexe Nannie Dee Tams Pferd Meg den Schwanz aus. Stahlstiche, 1846 von Blackie & Son, Glasgow, erstmals publiziert. (Sammlung Kurt Lussi)


Magisches und Mythisches bei Robert Burns

Tam o' Shanter und die Hexen

Tam o’ Shanter ist eine in Prosaform verfasste Erzählung des schottischen Dichters Robert Burns (1759-1796). Er beschreibt darin das ausschweifende Leben des Farmers Tam, der sich bei seinen Marktbesuchen in Ayr regelmässig mit seinen Freunden betrinkt. Als Tam nach einem derartigen Besäufnis auf seinem Pferd Meg heimreitet, sieht er aus der halb verfallenen Kirche Alloway Auld Kirk Licht dringen. Von Neugier gepackt nähert er sich dem alten Gemäuer. Auf seinem Pferd sitzend späht er ins Innere und sieht einen Teufel, der tanzenden Hexen und Hexenmeistern mit seinem Dudelsack aufspielt. Noch immer betrunken betrachtet er das wilde Treiben. Als sich eine junge Hexe in kurzem Röckchen besonders aufreizend bewegt, entfährt es ihm «Gut gemacht, Cutty Sark». Sofort verstummt die Musik. Das Licht geht aus. Die dämonische Schar eilt nach draussen um den ungebetenen Gast zu packen. Sofort wendet Tam sein braves Pferd Meg und eilt dem Flüsschen Doon zu im Wissen, dass Dämonen und Hexen Wasser nicht überqueren können. Fast hätte er es geschafft. Doch im letzten Moment erwischt die junge Hexe Nannie Dee den Schweif seines Pferdes. Aber Tam ist gerettet. Bis auf den ausgerissenen Pferdeschwanz, den die junge Hexe triumphierend in den Händen hält, sind beide nochmals davongekommen.
Cutty Sark ist in der schottischen Mundart, dem Lowland Scots, die Bezeichnung für ein kurzes Unterhemd. Der englische Tee- und Wollklipper Cutty Sark ist nach Burns Sagengestalt benannt. Die Galionsfigur des Schiffes zeigt denn auch die mit einem kurzen Hemdchen bekleidete junge Hexe Nannie Dee, die in ihrer linken Hand den Schweif von Tams Pferd Meg hält. Nach dem Schiff ist zudem der bekannte Whisky Cutty Sark benannt.

Reste des ehemaligen Klosters Beeleigh Abbey in der Nähe von Maldon in Essex, England. Unten: Kapitelsaal der 1540 säkularisierten Abtei. Postkarten aus der Zeit um 1910 (Sammlung Kurt Lussi)


Paranormale Erscheinungen in einem ehemaligen Kloster in Essex

Die Geister von Beeleigh Abbey

Beeleigh Abbey ist ein ehemaliges Kloster in der Nähe von Maldon in Essex, England. Erbaut wurde es 1180 für den Orden der Prämonstratenser. Im Zuge der Loslösung von Rom und der damit verbundenen Aufhebung der Klöster schenkte König Henry VIII. das Anwesen im Jahre 1540 Sir John Gates, der damals Kanzler des Herzogtums Lancaster war. Wegen Sir John's Unterstützung für die Einsetzung von Lady Jane Grey als Königin liess ihn Queen Mary I. 1553 im Tower von London wegen Hochverrats enthaupten. Sein unruhiger Geist, wird erzählt, kehrt seit dem 16. Jahrhundert regelmässig nach Beeleigh Abbey zurück. Dort soll er sich vor allem am 11. August sowie an seinem Todestag, dem 22. August, bemerkbar machen.
In Beeleigh Abbey wird Sir John's Geist mit paranormalen Erscheinungen in Zusammenhang gebracht, die sich auf zwei Räume zu konzentrieren scheinen: Im sogenannten James Room wurde verschiedentlich eine Gestalt gesehen, deren Kopf mit einer Kapuze verhüllt war. Ob diese Erscheinung mit Sir John Gates zu tun hat oder mit einem Mönch, dessen Seele aus welchen Gründen auch immer ihre ewige Ruhe noch nicht gefunden hat, vermag niemand mit Bestimmtheit zu sagen. Auf den Geist von Sir John zurückgeführt werden auch die Poltergeist-Erscheinungen in einem der Schlafzimmer. Zwei Personen, die unabhängig voneinander darin eine Nacht verbrachten, berichteten von Vibrationen, die sogar das Wasser im Waschkrug überschwappen liessen. Eine der beiden Personen wies am Hals sogar Bisswunden auf, die von einem Arzt behandelt werden mussten.

Literatur:
Underwood, Peter: The Vampire's Bedside Companion. The Amazing World of Vampires in Fact and Fiction. London 1975. Peter Underwood (1923-2014) gehört zu den bedeutendsten englischen Parapsychologen des 20. Jahrhunderts. Er war u.a. von 1960-1993 Präsident des 1862 gegründeten Ghost Clubs, der seinen Sitz in London hat.

Hungrige Wölfe lauern einem Mädchen auf. Stahlstich um 1850. (Bild und Sammlung Kurt Lussi)


Spuk und Zauber in der Mittwinterzeit

Werwölfe, Werwolfprozesse und ihre Ursachen

Die Mittwinterzeit ist die Zeit der Werwölfe. In den dunkelsten Nächten des Jahres treten sie vor allem an jenen Orten auf, die auch von Vampiren und Wiedergängern heimgesucht werden: Friedhöfe, Kreuzwege und Orte, an denen Mordtaten geschehen sind. Im Gegensatz zu den Vampiren sind Werwölfe keine Untoten sondern Menschen, die Kraft eines Zaubers die Gestalt von Wölfen annehmen können. So gesteht 1664 ein gewisser Peter Breitenmoser den Richtern zu Luzern, er habe sich «zu einem wolff gmacht (…) und 2 schaff nider gerissen». Auf die Frage, wie die Verwandlung geschehen sei, sagte er, er «habe das stecklin in das salben Heffelin gestossen und den steckhen 3 mall ins teüffels nammen zu ring umb gemacht und gesagt, ietz bin ich ein wolff, da syend sye zu wölffen worden».
Prozesse gegen angebliche Werwölfe, wie jener gegen Peter Breitenmoser, waren in der Schweiz die Ausnahme. Weitaus häufiger fanden sie in Frankreich und in Deutschland statt. Dies hängt eng mit dem massenhaften Auftreten von Wölfen zusammen, was wiederum mit den langen und verlustreichen Kriegen dieser Zeit zu tun hat, die vor allem auf deutschem Gebiet ausgetragen wurden. Damals war es üblich die Gefallenen der Gegenpartei auf den Schlachtfeldern liegen zu lassen, wo sie zuerst von der notleidenden Bevölkerung ausgeraubt und später von Wölfen gefressen wurden. Als mit dem Pyrenäenfrieden von 1659 der letzte der vier grossen Kriege zu Ende gegangen war, stand die zwischenzeitlich übergrosse Wolfspopulation in einem Missverhältnis zur verfügbaren Nahrung. Die Gefallenen fehlten und die Wälder waren leergeschossen. In der Folge lauerten hungrige Wölfe leicht zu erbeutenden Kindern, Frauen und alten Männern auf und gruben auf Friedhöfen die Toten aus. Insofern ist den Überlieferungen, wonach Werwölfe nachts die Friedhöfe heimsuchen würden, Glauben zu schenken. Nur: Was die Zeugen gesehen hatten, waren nicht Werwölfe, sondern hungrige Wölfe auf Futtersuche.

Literatur:
Barber, Paul: Vampires, Burial, and Death. Folklore and Reality. New Haven und London 1988.
Hertz, Wilhelm: Der Werwolf. Beitrag zur Sagengeschichte. Stuttgart 1862.
Baring-Gould, Sabine: The Book of Were-Wolves. London 1865.
Lussi, Kurt: Luzerner Wölfe und Werwölfe, in: Heimatkunde des Wiggertals, Heft 48. Willisau 1990, S. 59-97
Schacher, Joseph: Das Hexenwesen im Kanton Luzern nach den Prozessen von Luzern und Sursee 1400-1675. Luzern 1947.
Völker, Klaus (Hg.): Von Werwölfen und anderen Tiermenschen. Dichtungen und Dokumente. München 1972.

Portrait des Gerard van Swieten (1700-1772). Mediziner, Reformer und Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia. Mezzotinto von Johann Jacob Haid (1704-1767) nach einem Gemälde von Isaak Leupold (1704-1759). (Bild und Sammlung Kurt Lussi)

Vampirglaube in Südosteuropa im18. Jh.

Gerard van Swieten. Mediziner und Kämpfer gegen den Vampirglauben

Gerard van Swieten (1700-1772) war eine der wichtigsten Persönlichkeiten des 18. Jh. im Kampf gegen den Glauben an Vampire, von deren scheinbaren Existenz ab 1720 immer wieder Berichte aus dem damals habsburgischen Südosteuropa nach Wien gelangten.
Die Vorgeschichte: Nach dem Ende des Türkenkrieges von 1718 fielen im Frieden von Passarowitz Teile Nordserbiens und Bosniens, die bis dahin zum Ottomanischen Reich gehört hatten, dem Kaiserreich Österreich zu. Aus diesen Gebieten stammen die ersten Berichte kaiserlicher Feldschere (Truppenärzte). Sie geben uns Kunde von Dörfern im Grenzland zum Ottomanischen Reich, in denen Gräber Verstorbener geöffnet und die Leichname praktisch unverwest und mit Blut verschmierten Mündern aufgefunden wurden. 
Als Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia stand van Swieten bei der Untersuchung der gemeldeten Vampirphänomene an vorderster Front. In der Vorrede zu seiner "Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus" (Augsburg 1768) kommt er in einer Fussnote zum Schluss, "dass der ganze Lärm [um die Vampire] von nichts andern herkömme, als von einer eitlen Furcht, von einer aberglaubischen Leichtglaubigkeit, von einer dunkeln und bewegten Phantasey, Einfalt und Unwissenheit bei jenem Volke."
Gestützt auf die Gutachten van Swietens und anderer Mediziner dieser Zeit ordnete Kaiserin Maria Theresia in ihrem Erlass vom 1. März 1755 an, "dass dergleichen sündliche Müssbräuche [gemeint sind die Vampire betreffende abergläubische Praktiken] in unseren Staaten künfftighin keineswegs zu gestatten, sondern vielmehr mit denen empfindlichsten Straffen" zu belegen seien.
Literarisches Nachspiel: Gerard van Swieten gilt als Vorbild für den Vampirjäger van Helsing in Bram Stokers Roman "Dracula". Im Gegensatz zu van Swieten tritt van Helsing jedoch nicht gegen den Aberglauben auf, sondern er fördert ihn indirekt, indem er in seinem Kampf gegen den Grafen Dracula magische Mittel verwendet, wie sie in Südosteuropa bis heute gebräuchlich sind. Siehe unten: "Der Glaube an Verstorbene, die als Vampire zurückkehren, ist auf dem Balkan noch immer lebendig".

Literatur:
Hamberger, Klaus: Mortuus non mordet: kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689-1791. Wien 1992.

Oben: Mit Stroh gedeckte Cottages in Devon, um 1880. Unten: Bei der Erneuerung eines Cottage unter den alten Bodenbrettern gefundenes Ziegenhorn, das gemäss einer beigefügten Notiz ins 17. Jh. datiert wird. (Bilder und Sammlung Kurt Lussi)


Ein seltsamer Fund aus dem 17. Jahrhundert

Ein Bockshorn wider Hexenwerk und Schadenzauber

Im Jahre 1928 fand man bei der Erneuerung eines Cottage in der Grafschaft Devon (Südwestengland) unter den Jahrhunderte alten Bodenbrettern ein Ziegenhorn. Obschon Ziegenböcke im gesamten europäischen Kulturraum mit Hexen und dem Teufel in Verbindung gebracht werden, gelten ihre Hörner als besonders wirksame Schutzmittel gegen böse Mächte und dämonische Einflüsse. Dies hängt mit dem Glauben zusammen wonach die gewaltige Kraft des Ziegenbocks selbst dann noch in seinen Hörnern innewohnt, wenn sie vom Tier abgetrennt sind. In der Grafschaft Devon, in der sich bis in die Gegenwart viele magische Praktiken und Vorstellungen von Feen, Hexen und Naturgeistern erhalten haben, schreibt man Ziegenhörnern die Eigenschaft zu, magische Angriffe abwehren oder unter Hexen Zwietracht säen zu können. Vielleicht wurde das ins 17. Jahrhundert datierte Ziegenhorn unter den Bodenbrettern verborgen, um sich gegen das Wirken der angeblichen Hexen von Bideford in Devon zu schützen, denen schliesslich 1682 der Prozess gemacht wurde. Die damals verurteilten Frauen gehören nach dem heutigen Wissensstand zu den letzten Hexen, die in England gehängt wurden.

Literatur:
Bradbury & Evans: Witchcraft in Devon, in: Once a Week. Illustrated Miscellany of Literature, Art, Science & Popular Information, Vol. I, Third Series. London 1868, S. 61-64.
Brown, Theo: Devon Ghosts. Norwich 1982.

Blick von der Coventry Street zum Piccadilly Circus, wo am 16. April 1922 drei Männer von einem angeblichen Vampir attackiert worden waren. (Postkarte um 1920, Sammlung Kurt Lussi)


Unerklärbare Attacken im Herzen Londons

Der Coventry Street Vampir

Die Coventry Street. Auf den ersten Blick hinterlässt dieses belebte Strassenstück nicht den Eindruck eines Ortes, an dem paranormale Aktivitäten auftreten. Und doch sind genau hier, wo die Coventry Street in den Piccadilly Circus einmündet, drei Männer am gleichen Tag Opfer einer Attacke geworden, für die man bis heute keine Erklärung hat: Am 16. April 1922 wurde ein Angestellter um sechs Uhr morgens von einem unbekannten Etwas zu Boden geworfen, worauf er das Bewusstsein verlor. Als er wieder erwachte, befand er sich im Charing Cross Hospital. Dort erklärten ihm die Ärzte, er sei zweimal von jemandem mit einem Röhrchen in den Hals gestochen worden, welches die Grösse einer Injektionsnadel gehabt habe. Der Mann beharrte jedoch darauf, dass er von einem formlosen schattenhaften Wesen zu Boden geworfen worden sei. Dieses habe ihn aus dem Schatten heraus angegriffen, ihn in den Hals gebissen und ihm Blut ausgesaugt, worauf er das Bewusstsein verloren habe. Wie zur Bestätigung seiner Aussage wurden im Laufe des Tages noch zwei weitere Männer eingeliefert, die am selben Ort auf die gleiche Weise attackiert worden waren.
Soweit die Fakten. Und nun zu den Geschichten. Die eine besagt, dass die Polizei, die erfolglos nach dem Täter fahndete, schliesslich einen Exorzisten engagiert hätte. Diesem sei es gelungen, das wie ein Vampir agierende Wesen zu stellen und mit einem durchs Herz getriebenen Pfahl zu töten. Eine andere Version bringt die Vorfälle in der Coventry Street mit einem Ereignis in der Vollmondnacht vom 12. April 1922 in Zusammenhang. In dieser Nacht wurde auf dem Friedhof der Kirche von St. Martin in Dayton im Westen Londons von verschiedenen Personen eine gigantische schwarze Kreatur gesehen, deren Flügel eine Spannweite von sechs Fuss (rund 180 cm) gehabt hätten. Das Monster sei die ganze Nacht über um die Grabsteine geflogen und habe kreischende Geräusche von sich gegeben, die weitherum zu hören gewesen seien. Nach dieser Nacht wurde das Monster nie mehr gesehen und auch in der Coventry Street waren keine weiteren Vampirattacken mehr zu verzeichnen.

Literatur:
Newcourt, Richard: Repertorium Ecclesiasticum Parochiale Londinense: An Ecclesiastical Parochial History of the Diocese of London. Containing an Account (…). London 1708.
Leyland, Simon: A Curious Guide to London. Tales of a City. London 2014.


Amen Court. Die heutigen Gebäulichkeiten stammen aus dem 17. Jh. Die Mauer im Hintergrund geht auf die römische Zeit zurück. (Bild Kurt Lussi)


Mord im Kerker und späte Rache

Amen Court und der schwarze Hund von Newgate

Amen Court. Der Name geht zurück auf die Zeit, als an diesem Ort die Häuser der Domherren der nahen Kathedrale St. Paul standen. Hier endete bis zur Reformation die Fronleichnamsprozession mit einem “Amen”. Daher der Name. Die durch den Torbogen zu sehende Mauer im Hintergrund begrenzt den Innenhof gegen das daran anschliessende ehemalige Gefängnis von Newgate. Mit ihm verknüpft sich die Sage vom schwarzen Geisterhund von Newgate. Es wird erzählt, man habe ihn immer nur kurz vor der Hinrichtung eines zum Tode Verurteilten sehen können. Als lautloser schwarzer Schatten oder schemenhaft wahrnehmbarer schwarzer Hund mit offenem Rachen habe er sich oben auf der Mauerkrone oder dann entlang der Wand zur Richtstätte hin bewegt.
Erstmals publiziert wurde die Geschichte im Jahre 1596 im Verlag von G. Simson und W. White unter dem Titel The blacke dogge of Newgate both pithie and profitable for all readers. Gemäss diesen Aufzeichnungen geht die Entstehung des Phänomens auf die Hungersnot zur Zeit der Regierung von Henry III. (1207-1272) zurück. Damals sei ein Hexer und Magier in Haft gekommen, dem Verbindungen zum Teufel nachgesagt wurden. Im Gefängnis, heisst es, sei die Not so gross geworden, dass die Insassen dem Kannibalismus verfallen seien und den Hexer schon bald nach seiner Inhaftierung getötet und verspeist hätten. Kurz nach dem Verbrechen suchte er in Gestalt eines schwarzen Hundes jene Insassen heim, die ihn gemordet hatten. Nacht für Nacht erschien das Geistertier in den dunklen Gängen und frass seine Mörder auf. Einen nach dem andern. Nur dem letzten Überlebenden gelang es, halb wahnsinnig vor Angst, aus dem Kerker zu entkommen und sich so vor der Rache des Hexers zu retten.

Literatur:
Clark, James: Haunted London. Stroud, Gloucestershire 2007, S. 86-87.


Oben: Das zwischen 1620 und 1642 erbaute "Witch House" in Salem, Massachusetts, um 1910. Unten: der puritanische Prediger Cotton Mather und ein auf den 15.9.1692 datiertes Dokument, das zur Verurteilung der angeblichen Salem-Hexe Margret Scott führte.


Relikte der Hexenprozesse von 1692 in Salem, Massachusetts, USA

Das Hexenhaus von Salem

Das Hexenhaus von Salem im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts war das Heim des Politikers, Kaufmanns und späteren Hexenrichters Jonathan Corwin (1640-1718). Es ist das letzte noch stehende Gebäude von Salem, das einen direkten Zusammenhang mit den Hexenprozessen von 1692 hat, in dessen Verlauf 19 Personen gehängt wurden. Ein weiterer Angeklagter, der 81 Jahre alte Giles Coray, starb unter der Folter.
Ausgelöst wurde der Hexenwahn durch zuerst zwei, dann drei und schliesslich acht junge Mädchen, die im harten Winter 1691/1692 plötzlich hysterische Anfälle bekamen, auf dem Boden herumkrochen und seltsame Worte stammelten. In der streng puritanischen Gemeinschaft, deren Leben von ebenso wortgewaltigen wie fanatischen Laienpredigern diktiert wurde, konnte dies nur das Werk von Hexen sein, die sich dem Teufel verschworen hatten. Unter dem Druck der Prediger und der Eltern bezichtigten die Mädchen schliesslich verschiedene Einwohner der Hexerei.
Puritaner wie Samuel Parris (1653-1720) und der Prediger Cotton Mather (1663-1728), die in den Hexenprozessen von Salem treibende Kräfte waren, hegten die Überzeugung, sie und ihre Getreuen würden zu den von Gott Auserwählten gehören, während alle anderen Menschen, egal welcher Religion und Rasse, im Jüngsten Gericht der ewigen Verdamnis anheimfallen würden.
Sich auf die Bibel berufende, den nahen Weltuntergang prophezeienden und Rettung versprechende christlich-fundamentalistische Fanatiker gibt es auch im 21. Jahrhundert. Obschon die alle paar Jahre von ihnen verkündeten Weltuntergänge weder eingetroffen sind noch eintreffen werden, haben sie erstaunlichen Zulauf verunsicherter Menschen. Fazit: Die Wahnvorstellungen der evangelikalen Prediger von 1692 sind nicht Geschichte. Sie haben bloss neue Formen und Dimensionen angenommen. Die selbst ernannten Laienprediger sind heute in international agierenden Sekten organisiert, die mit dem Schüren von Angst, Hass, drohendem Weltuntergang und Jüngstem Gericht den Gutgläubigen und Einfältigen dieser Welt in grossem Stil das Geld aus den Taschen ziehen.
PS: Nach dem Ende der Prozesse von 1692 und der Freilassung der letzten Inhaftierten gaben die acht Mädchen zu, die hysterischen Anfälle bloss gespielt zu haben um sich etwas Abwechslung zu verschaffen.

Link:

Der falsche Prophet. Weltuntergang von 2011

Ein «Patent Iron Coffin» in der Krypta von St. Mary le Bow, Fleet Street, London. (Bild Kurt Lussi)


Und bewahre uns vor Leichenräubern...

Der patentierte Sicherheitssarg in der Krypta von St. Mary le Bow, London

Bis zum Erlass des Anatomy Act von 1832 (2 & 3 Will. IV c.75) wurde in England und Wales die Leiche eines Hingerichteten nur zur Obduktion freigegeben, wenn dies im Todesurteil ausdrücklich vorgesehen war. Dies war für medizinische Hochschulen und Forschungseinrichtungen bis dahin die einzige Möglichkeit, legal an Leichen zu kommen. Gedeckt wurde die Lücke durch Bodysnatchers oder Resurrectionists, die Leichen aus Aufbahrungshallen und frisch angelegten Gräbern entwendeten und sie anatomischen Instituten, Chirurgen und Hochschuldozenten verkauften. Um die sterblichen Überreste eines lieben Angehörigen vor diesem Schicksal zu bewahren, hatten Bestattungsunternehmer wie W. Meredith in der Goswell Street und G. & J. Offor, Postern Row, Tower Hill (heute A 100) einen eisernen Sicherheitssarg im Angebot. War er einmal geschlossen, liess er sich dank eines ausgeklügelten Mechanismus nicht mehr öffnen. Der Preis richtete sich nach dem Gewicht. Das grösste Modell hatte eine Länge von 6 feet und kostete 5 £ 10 s.
Das Anatomiegesetz von 1832 erlaubte den Wissenschaftlern neu auch von Anverwandten nicht beanspruchte Leichen zu sezieren (was bis anhin nicht gestattet war). Im Gegenzug verlangte das Gesetz die Ernennung von Inspektoren. Sie hatten darüber zu wachen, dass in den Instituten keine Leichen mehr illegal seziert wurden. Diese Massnahmen konnten den Schwarzhandel mit Leichen zwar nicht gänzlich unterbinden, erschwerten ihn jedoch in einem Masse, welches die Leichenräuberei zu einem schwierigen und kaum noch lukrativen Geschäft machte. In der Folge ging die Herstellung von Sicherheitssärgen mangels Nachfrage ständig zurück und kam nach der Mitte des 19. Jahrhunderts schliesslich ganz zum Erliegen.

Siehe auch den Beitrag im Magischen Lexikon (Link)

Literatur:
Bell, Neil R. A; Trevor N. Bond; Kate Clarke und M. W. Oldridge: The A-Z to Victorian Crime. Gloucestershire 2016.
Leyland, Simon: A Curious Guide to London. Tales of a City. London 2014, S. 184-185.

Die Waterloo Bridge vom Südufer der Themse aus gesehen. Die Cleopatra’s Needle befindet sich links vom nördlichen Brückenende (auf dieser Aufnahme nicht zu sehen). Postkarte um 1890. (Bild und Sammlung Kurt Lussi)


Waterloo Bridge, London

Morde, Suizide und ein kopfloser Geist

Auf keiner anderen Brücke Londons spuken so viele Geistwesen, wie auf der Waterloo Bridge. Und von keiner anderen springen so viele Menschen in den Tod, wie von dieser. In den späten 1890er Jahren war dies nach Elliott O’Donnell (1872-1965) fast nächtlich der Fall.
Das Ungute, das der Waterloo Bridge anhaftet, scheint auf einen mysteriösen Fund zurückzugehen. Am Freitag, dem 9. Oktober 1857,entdeckten zwei Flussschiffer auf dem Vorsprung eines Brückenpfeilers einen grossen Seemannssack, in dem sich Teile einer männlichen Leiche befanden. Kopf, Hände und Füsse fehlten. Ein von Messereinstichen durchlöcherter Mantel wies darauf hin, dass der Tote wohl dem oberen Mittelstand zuzuordnen sei.
Die Herkunft des Mannes und die Identität seines Mörders bleiben bis heute im Dunkeln. Doch seither wird öfters die Gestalt eines vornehm gekleideten Gentlemans gesehen, der in seiner Westentasche eine goldene Uhr trägt. Ein Stadtstreicher, der sie ihm einst heimlich entwenden wollte, griff zu seinem Entsetzen ins Leere. Andere sahen die spukhafte Gestalt, wie sie als kopfloses Wesen über die Brücke geisterte. Hier traf in den 1920er Jahren auch ein patrouillierender Polizeibeamter auf jene geheimnisvolle, viktorianisch gekleidete Frau, die ihn zur Cleopatra’s Needle führte, wo sie sich im Nichts auflöste (siehe Beitrag unten).
Bekannt wurde die Waterloo Bridge zudem durch den Umstand, wonach sich hier Geheimdienste und kriminelle Banden unliebsamer Personen entledigten. Am 7. September 1978 erhielt der bulgarische Dissident Georgi Markov, als er auf der Brücke auf den Bus wartete, mit der Spitze eines Regenschirms – scheinbar unabsichtlich – einen Stich ins Bein. Vier Tage später war er tot. Die Obduktion ergab, dass die Spitze des Regenschirms offenbar einen verborgenen Mechanismus hatte, mit dem ein tödliches Gift injiziert werden konnte. Bei diesem handelte es sich um Ricin, ein äusserst giftiges und in kleinsten Mengen tödlich wirkendes Protein, das aus den Samen des Wunderbaums (Ricinus communis) gewonnen wird.

Literatur:
Clark, James: Haunted London. Stroud, Gloucestershire 2007, S. 65-68.
O'Donnell, Elliott: Ghosts of London. New York 1933.
O'Donnell, Elliott: Great Thames Mysteries. London 1930.

Cleopatra's Needle. Victoria Embankment, London. Originalbild aus der Zeit um 1880. (Bild und Sammlung Kurt Lussi)


Cleopatra’s Needle, London

Das unheimliche Tor zum Jenseits

Die Entstehung des hart am Themseufer stehenden Obelisken fällt in die Zeit des ägyptischen Königs Thutmosis III., der von 1486-1425 v. Chr. lebte. Im Jahre 1819 schenkte Muḥammad ‘Alī Bāshā, zu dieser Zeit amtierender ottomanischer Gouverneur von Ägypten, die Granitnadel dem britischen Empire. Danach schlummerte sie während Jahrzehnten im Wüstensand Ägyptens. Erst 1877 fanden sich die Mittel, um das steinerne Monument nach England zu verschiffen. Damit begann das Unheil. Bereits der Transport von Alexandrien nach London forderte das Leben von sechs Seeleuten, als die vom Dampfer „Olga“ geschleppte Barke "Cleopatra" (deren Name später auf die Granitnadel überging, obschon diese mit der ptolemäischen Königin Cleopatra keinen Zusammenhang hat) im Golf von Biskaya in einen schweren Sturm geriet.
1878 wurde der Obelisk am heutigen Platz aufgestellt. Seither wird er mit Ereignissen in Zusammenhang gebracht, die wie bei den sechs Seeleuten mit vorzeitigem Tod und damit nicht erfülltem Leben zu tun haben. Lebensmüde scheinen durch eine von ihm ausgehende negative Energie magisch angezogen zu werden. Oder dann folgen sie Cleopatra nach, die in einer scheinbar aussichtslosen Situation ebenfalls in den Freitod ging. Nirgendwo entlang der Themse, heisst es jedenfalls, nähmen sich so viele Menschen das Leben wie hier, obschon das Wasser an dieser Stelle nicht besonders tief und bei Ebbe das Ertrinken fast nicht möglich ist. Zudem wäre ein Sprung von der nahe gelegenen Tower Bridge oder der Waterloo Bridge (siehe oben) weitaus sicherer, um vom Diesseits ins Jenseits zu gelangen.
Genährt wird der Glaube an das vom Obelisken ausgehende Unheil durch Berichte von Passanten, die ein Stöhnen und Jammern vernommen haben wollen, das von seinem Innern auszugehen schien. Andere erzählen, sie hätten in der Dunkelheit eine aus dem Nebel kommende, schemenhaft nackte Gestalt gesehen, die in die Themse gesprungen sei, ohne dass man den Aufprall auf dem Wasser habe hören können. In den 1920er Jahren, wird weiter berichtet, sei ein auf der nahen Waterloo Bridge patrouillierender Polizist von einer hysterischen Frau in viktorianischen Kleidern angesprochen und um Hilfe gebeten worden. Sie berichtete ihm mit hastiger Stimme, jemand wolle sich bei Cleopatra’s Needle das Leben nehmen. Als er keuchend am Fuss der Nadel stand, fand er sich just jener Lady gegenüber, der er zuvor begegnet war. Doch bevor er etwas sagen oder tun konnte, löste sich die altmodisch gekleidete Gestalt im Nichts auf. Dieses Ereignis inspirierte den Autor William Meikle zur Kurzgeschichte The Curious Affair on the Embankment, die er im Schreibstil von Arthur Conan Doyle verfasste und 2017 publizierte.

Literatur:
Jones, Richard: Walking Haunted London. 25 original walks exploring London’s Ghostly Past. Northampton 2007, S. 114.
Luckhurst, Roger: The Mummy's Curse. The True History of a Dark Fantasy. Oxford 2012, S. 146-147; 167.
Meikle, William: The Ghost Club. Newly Found Tales of Victorian Terror. Milton Keynes 2017, S. 225-246.

Die um 1840 erbaute Wassermühle am Flüsschen Rogačica. (Bild: Borilsav Jagodic)


Graf Draculas langer Schatten

Sava Savanović – ein serbischer Vampir

Die Ereignisse, von denen hier die Rede ist, spielten in einer kleinen Mühle am Flüsschen Rogačica in der serbischen Gemeinde Zarožje. Aufgezeichnet hat sie 1880 der serbische Schriftsteller, Übersetzer und Journalist Milovan Glišić unter dem Titel "Posle devedeset godin" (dt. "Nach neunzig Jahren"). Darin geht es um einen Vampir namens Sava Savanović, der nachts die in der Wassermühle tätigen Müller anfällt und zu Tode würgt. Schliesslich gelingt es den Dorfbewohnern von Zarožje mithilfe eines schwarzen Hengstes das einsame Grab des Vampirs zu lokalisieren und ihn mit einem durch die Brust geschlagenen Pfahl und in den Mund gegossenem Weihwasser zu töten.
Verschiedene Hinweise Glišićs, unter anderem die Erwähnung von damals verbreiteten osmanischen Kleinmünzen wie dem Akçe (mit einem Gewicht von je 0,33 bis etwa 0,5 Gramm; 3 Akçe=1 Para), lassen die Entstehung der Legende in die Zeit vor 1800 vermuten (Serbien war bis 1804 Teil des Osmanischen Reiches). Sava Savanović, sofern es ihn tatsächlich gegeben hat, dürfte folglich um 1700 bis 1710 verstorben sein. Sein Tod fällt in eine Epoche, in der im benachbarten Istrien und im Herzogtum Krain (heute Teil Sloweniens) die ersten Vampire auftraten (u. a. Giure Grando, verstorben 1656, ab 1672 Erscheinung als Untoter und Vernichtung, 1689 ausführliche Beschreibung seines Auftretens und seiner Vernichtung in Johann Weichard Valvasors "Die Ehre des Hertzogthums Crain").
Von der ursprünglichen Mühle, in der Sava Savanović über die Bewohner herfiel, stehen nur noch Teile des Steinfundaments. Der schlichte Bau, der heute den Besuchern als „Wirkungsort“ des Vampirs gezeigt wird, ist erst in den 1840er Jahren entstanden, hat also mit der ursprünglichen Legende nichts zu tun. Trotzdem: Als im Herbst 2012 die baufällige Wassermühle von 1840 in sich zusammenstürzte, erlangte Sava Savanović internationale Bekanntheit. Besorgt über die nunmehrige Obdachlosigkeit des Vampirs hingen die Talbewohner auf Empfehlung der Gemeindeverwaltung Kreuze und Knoblauch an die Haustüren. Bei der von den Behörden herausgegebenen und in der Presse verbreiteten Empfehlungen dürfte es sich wohl um eine PR-Aktion handeln, um nach dem Vorbild Rumäniens in Zarožje den Vampir-Tourismus anzukurbeln.

Literatur:
Glišić, Milovan (Autor), Andrew Boylan (Vorwort), James Lyon (Übersetzer): After Ninety Years. 2015. (Serbischer Originaltitel: Posle devedeset godina, publiziert 1880).
Valvasor, Johann Weichard von: Die Ehre des Hertzogthums Crain - Band VI - Von der Istrianer Sprache / Sitten und Gewohnheiten. Laybach und Nürnberg 1689.
Wölfl, Adelheid: Tourismus in Serbien: Ein Vampir namens Sava Savanović, in: Der Standard. Ausgabe vom 1. Mai 2013.

Pendel mit Glas und Pentagramm. Den dazu gehörigen Artikel finden Sie im Magischen Lexikon unter dem Begriff "Viktorianische Séance". (Bild Kurt Lussi)


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